Auf diesen Seiten berichten wir von Jubiläen und Ereignissen der Geschichte.
"Es wächst zusammen, was zusammen gehört!"
Im Oktober 1990 erfüllte sich die Sehnsucht vieler Deutscher nach einer Überwindung der deutschen Teilung. 45 Jahre waren vergangen, nachdem Deutschland in Folge des verlorenen Krieges aufgeteilt wurde. Hitler wollte ein Großdeutsches Reich schaffen und verschuldete die Zerstückelung Deutschlands. 1990 sollte wieder zusammenwachsen, was zusammengehörte, wie es Willy Brandt ausdrückte.
Am 31. August hatten die beiden Verhandlungsführer DER Bundesrepublik und der DDR, Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble und DDR-Staatssekretär Günter Krause, den „Vertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik über die Herstellung der Einheit Deutschlands – den Einigungsvertrag“ für die beiden deutschen Staaten unterzeichnet. Er regelte, wie sich die Wiedervereinigung im Innern vollziehen sollet. Damit er in Kraft treten konnte, bedurfte es allerdings der Zustimmung von Bundestag, Bundesrat und Volkskammer. Da der Vertrag den Beitritt der DDR zum Geltungsbereich des Grundgesetzes vorsah und zugleich viele Grundgesetzänderungen nötig wurden, bedurfte es der Zweidrittelmehrheit in den beiden Parlamenten.
Am 20. September traten beide Parlamente zusammen. Bereits um 9.02 Uhr der Bundestag in Bonn, später die Volkskammer um 11.45 Uhr in Berlin. In ambitionierten Debatten wurden die Beschlussvorlagen, die von Ausschüssen der jeweiligen Parlamente erarbeitet wurden, beraten und schlussendlich zur Abstimmung gestellt.
Volkskammer der DDR macht den ersten Schritt
„Wie der Beschlussempfehlung zu entnehmen ist, hat sich der Ausschuss Deutsche Einheit mehrfach mit dem Vertrag befasst und der Verhandlungsdelegation der DDR Vorschläge zu Ergänzungen und Veränderungen übermittelt. Wenn auch nicht alle Forderungen erfüllt sind und nicht allen Wünschen entsprochen werden konnte, ist der Ausschuss dennoch der Meinung, dass der nunmehr vorliegende Vertrag eine solide Grundlage und ein tragfähiges Gerüst für das weitere Zusammenwachsen beider Teile Deutschlands im Rahmen des europäischen Einigungsprozesses sein wird." Mit diesen Worten forderte die Vorsitzende des Einheitsausschusses und Präsidentin der Volkskammer, Sabine Bergmann-Pohl, die Abgeordneten auf dem Vertragswerk zuzustimmen. 299 Abgeordnete stimmten für das Einigungsvertragsgesetz und gaben damit auch ihre Zustimmung zum Einigungsvertrag. 80 Gegenstimmen gab es aus den Reihen der PDS und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, ein Abgeordneter enthielt sich. Mit ihrer Zustimmung waren die Abgeordneten der Berliner Volkskammer den Kollegen im Bonner Bundestag zuvorgekommen.
Der Bundestag der Bundesrepublik schließt sich an
Noch während in Bonn diskutiert wurde, verkündete die Bundestagsvizepräsidentin Annemarie Renger das Ergebnis der Abstimmung der Volkskammer dem Bundestag. Es gab von den Abgeordneten der Fraktionen CDU/CSU, SPD und FDP spontanen Applaus. Nun war es an den Bonner Abgeordneten ihre Zustimmung zu erteilen. Der Abgeordnete Wolfgang Wenk von der FDP bemerkte dazu in seiner Rede: „Jetzt liegt es wirklich nur noch an uns. Ich glaube, es muss uns bewusst sein, dass sich die große Stunde der deutschen Einheit tatsächlich nähert.“
Die Abstimmung brachte ein überzeugendes Ergebnis und ein klares Bekenntnis zur deutschen Einheit. 440 Abgeordnete stimmten für das Gesetz. Es gab aber auch Gegenstimmen. 47 Abgeordnete aus der Fraktion Die Grünen/Bündnis 90 und 13 Abgeordnete der CDU/CSU-Fraktion stimmten dagegen. Dazu gab es unterschiedliche Gründe, die die Abgeordneten in persönlichen Erklärungen vor der Abstimmung erläuterten. Abgeordnete der Fraktion der Grünen übten Kritik an der fehlenden Mitwirkung des Volkes am Einigungsprozess. Zudem fehlte es ihnen an der Klärung der Frage, wie mit den Akten der Staatssicherheit der DDR zukünftig umgegangen werden sollte. Die im Einigungsvertrag vereinbarte Abtreibungsregelung machte es einigen Abgeordneten der CDU/CSU-Fraktion unmöglich dem Gesetz und damit dem Einigungsvertrag zuzustimmen.
Dennoch konnte die Bundestagspräsidentin Rita Süssmuth somit verkünden: „Das Gesetz ist damit angenommen.“ Die Abgeordneten der Fraktionen CDU/CSU, FDP und SPD erhoben sich und sangen gemeinsam die deutsche Nationalhymne. Sie wollten damit die Bedeutung dieser Abstimmung für die Zukunft Deutschlands unterstreichen. Die Bundestagspräsidentin bedankte sich bei allen, „die sich für das Zustandekommen des es Vertrage eingesetzt und daran mitgewirkt haben.“ Der Weg war nun frei die Wiederherstellung der formellen Einheit Deutschlands. Es sollte sich nun zeigen, ob nach der politischen Willenserklärung auch die praktische Umsetzung der gesellschaftlichen Einheit gelingen würde.
Das Einigungsvertragsgesetz
Nachdem am 21. September 1990 auch der Bundesrat dem Gesetz einstimmig zugestimmt hatte, konnte Bundespräsident Richard von Weizsäcker das Einigungsvertragsgesetz am 23. September unterschreiben. Der Einheitsvertrag konnte somit am 3. Oktober 1990 wie vorgesehen in Kraft treten.
Neben den Unterschriften des Bundespräsidenten und des Bundeskanzlers Helmut Kohl finden sich auch die Unterschriften sämtlicher Bundesminister auf dem Dokument, was die Bedeutung des Vertragswerkes nochmals unterstrich. Einigungsvertrag und Einigungsvertragsgesetz reihten sich in Liste der wichtigsten Dokumente der deutschen Geschichte ein. Selten war es gelungen auf friedlichem Wege durch ein Vertragswerk derartige territoriale Veränderungen für die Zukunft festzuschreiben. Nicht nur die Vereinigung zweier ehemals selbstständiger Staaten konnte herbeigeführt werden, sondern auch der Verzicht auf die ehemals deutschen Gebiete jenseits der Oder-Neiße-Grenze wurde damit anerkannt und festgeschrieben.
Aufbewahrung der Originale
Bei der Bedeutung dieser Dokumente stellt sich die Frage, wo die Originale des Vertragswerkes aufbewahrt werden. Wie bei allen völkerrechtlichen Verträgen der Bundesrepublik Deutschland ist für die Aufbewahrung der beiden Urschriften des Einigungsvertrages (bundesrepublikanische Ausfertigung und Ausfertigung der ehemaligen DDR) das Politische Archiv des Auswärtigen Amtes zuständig. Die Urschrift des Einigungsvertragsgesetzes wird dagegen im Bundesarchiv im Bestand B 463 verwahrt. Während der Einigungsvertrag zwei Wachsiegel der beiden deutschen Staaten aufweist, wurde das Einigungsvertragsgesetz mit dem großen Bundessiegel, als Papiersiegelan einer schwarz-rot-goldenen Kordel, versehen. Interessant dabei, das große Bundessiegel geht auf das Reichssiegel der Weimarer Republik aus dem Jahre 1921 zurück, welches 1950 auch für die Bundesrepublik übernommen wurde und seitdem nahezu unverändert in Gebrauch ist. Darin spiegelt sich die Traditionslinie von der ersten deutschen Demokratie bis hin zur zweiten, nunmehr wiedervereinigten Demokratie wider.
31. Mai 2019 Vor 100 Jahren
Am 31. Mai 1919 entdeckten Schleusenarbeiter eine weibliche Leiche im Landwehrkanal. Wie sich bald herausstellte handelte es sich dabei um die bereits am 15. Januar getötete Politikerin und Revolutionärin Rosa Luxemburg. Mit ihr zusammen verlor an diesem Tag auch ihr politischer Weggefährte Karl Liebknecht sein Leben.
Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht waren die führenden Köpfe der aus dem Spartakusbund hervorgegangenen KPD. Gemeinsam hatten sie sich während des Ersten Weltkrieges gegen die Burgfriedenspolitik der SPD gewandt. Beide gingen für Ihre politischen Überzeugungen ins Gefängnis. Nachdem Krieg bauten sie neben der SPD eine marxistische Alternativbewegung auf, die in die Gründung der KPD am 30, Dezember 1918 mündete.
Kurz danach spitzten sich die politischen Ereignisse zu. Als am 4. Januar 1919 der Berliner Polizeipräsident Emil Eichhorn, der der USPD angehörte, abgesetzt wurde, begann die später als „Spartakus-Aufstand“ bezeichnete bewaffnete Rebellion von Anhängern der USPD, der KPD und anderen Revolutionäre gegen den Rat der Volksbeauftragten unter Friedrich Ebert, der amtierenden Regierung. Ziel war es Wahlen zur Nationalversammlung zu verhindern und stattdessen eine Räterepublik zu etablieren.
Nur wenige Tage später wurde der Aufstand der schlecht ausgerüsteten Revolutionäre durch Regierungs- und Freikorps-Truppen unter dem Befehl des von Friedrich Ebert ernannten Volksbeauftragten für Heer und Marine Gustav Noske, beide SPD, blutig niedergeschlagen. Dem schloss sich die Jagd nach den Anführern des Aufstandes an. Obwohl sich Viele ergaben, erschossen die Regierungstruppen trotzdem Revolutionäre und Zivilisten. Die offizielle Opferzahl lag bei 165 Toten, ermittelt durch einen Untersuchungsausschuss des Preußischen Landtags.
In einem Mitteilungsblatt für sozialdemokratische Regimenter erschien am 14. Januar ein Artikel, mit der Forderung, dass nun auch mit den „Häuptern der Bewegung (...) Ernst gemacht“ werden müsse. Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg, die aus Solidarität abgelehnt hatten, aus Berlin zu fliehen, fanden zunächst Zuflucht bei Gesinnungsgenossen in Neukölln. Ob auf beide ein Kopfgeld von 100.000 Mark ausgesetzt war, wie es unter anderem von Fritz Henk, dem Schwiegersohn des späteren sozialdemokratischen Reichministerpräsidenten Philipp Scheidemann behauptet wurde, ist unbewiesen aber nicht unwahrscheinlich.
Unterschlupf fanden Luxemburg und Liebknecht schließlich in der Wohnung eines Freundes an der Mannheimer Straße 27 in Berlin-Wilmersdorf. Die Wilmersdorfer Bürgerwehr spürte sie dort am 15. Januar 1919, im Rahmen einer gezielten Durchsuchung nach einem entsprechenden Hinweis auf und verhaftete sie. Wer den entsprechenden Hinweis gab, ist bis heute unklar. Die Bürgerwehr übergab ihre Gefangenen an die Garde-Kavallerie-Schützen- Division, die sich bei der Verfolgung von Spartakisten in Berlin besonders hervortat. Sie hatte im Eden-Hotel am damaligen Kurfürstendamm 246/247 (heute Budapester Straße 18) ihr Hauptquartier. Dort wurden Luxemburg und Liebknecht verhört, inhaftiert und misshandelt. Gegen 22 Uhr traf der Kommandant Waldemar Pabst mit seinen Offizieren die Entscheidung, beide zu töten und den Mord als spontane Tat eines Unbekannten aussehen zu lassen. Rosa Luxemburg wurde aus dem Gebäude geführt und am Haupteingang vom dort bereitstehenden Otto Wilhelm Runge mit einem Gewehrkolben zweimal geschlagen, bis sie bewusstlos war. Danach warf man sie in einen bereitstehenden Wagen. Der Freikorps-Leutnant Hermann Souchon sprang bei ihrem Abtransport auf das Trittbrett des Wagens auf und erschoss sie mit einem aufgesetzten Schläfenschuss etwa an der Ecke Nürnberger Straße/Kurfürstendamm (heute Budapester Straße). In der Nähe der heutigen Lichtensteinbrücke ließ der Offizier Kurt Vogel ihre Leiche in den Berliner Landwehrkanal werfen, in dem sie drei Monate später gefunden wurde.
Karl Liebknecht wurde in ein Fahrzeug in den Tiergarten gefahren und während der Fahrt mehrfach mit dem Gewehrkolben misshandelt. Nachdem der Wagen unter einem Vorwand angehalten wurde, zog man Liebknecht aus dem Automobil und erschoss ihn von hinten am Ufer des Neuen Sees. Als unbekannten Toten gaben ihn seine Mörder an einer Rettungswache gegenüber dem Eden Hotel ab.
Am 25. Januar 1919 wurden 31 Opfer des Spartakusaufstandes auf dem Zentralfriedhof in Friedrichsfelde zu Grabe getragen, darunter Karl Liebknecht und symbolisch ein leerer Sarg für Rosa Luxemburg, da ihr Leichnam zu diesem Zeitpunkt noch nicht gefunden war. Über 100.000 Menschen gaben den toten Revolutionären ein letztes Geleit. Bis Anfang Juli 1919 tobten in ganz Deutschland bürgerkriegsähnliche Unruhen. Gustav Noske ließ sie mit Freikorps und Regierungstruppen gewaltsam niederschlagen. Insgesamt forderte der Aufstand so einige tausend Tote.
Christian van Weyden